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Best Practices - Deutsche und Japaner im Business

In diesem Artikel werden sieben Handlungsempfehlungen vorgestellt, die dazu beitragen, die geschäftliche Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Japanern zu unterstützen und zu verbessern. Der Autor dieses Berichts ist unser Mitarbeiter Vincent Schwaner, der diese Maßnahmen im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit ausgearbeitet hat.

Als Basis wurden die bekannten „Hofstede-Dimensionen“ herangezogen, um relevante Unterschiede der deutschen und japanischen Arbeitskultur zu identifizieren. Anschließend wurden Interviews mit Deutschen und Japanern, die in der jeweils anderen Kultur gearbeitet haben, geführt und analysiert, welche die Basis für diese Handlungsempfehlungen im geschäftlichen Sinne an Japaner und Deutsche ist. Dieses komplexe Thema wurde wissenschaftlich sehr detailliert ausgearbeitet. In diesem Artikel wird sich aber nur auf das Ergebnis – sprich auf die sieben Handlungsempfehlungen – konzentriert.

Handlungsempfehlung 1: Sprachkenntnisse der betroffenen Mitarbeiter fördern.

In jeglicher Hinsicht ist es erforderlich, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, die in der Regel Englisch ist. Während der Interviews wurde deutlich, dass auf rein sprachlicher Ebene bereits häufig die Probleme anfangen, die im Arbeitsleben oft von den Betroffenen unterschätzt oder nicht erkannt werden. Diese Schwierigkeiten zeigten sich unabhängig von Altersklassen oder Hierarchieebenen. Eine Organisation sollte daher hohen Wert auf die Sprachkenntnisse ihrer Mitarbeiter legen. Sei es Englisch, Deutsch oder Japanisch. Umfangreiche Sprachkenntnisse wirkten sich uneingeschränkt positiv die Zusammenarbeit aus. Dies sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit – ist es aber auch heutzutage nach wie vor noch nicht.

Handlungsempfehlung 2: Kultur- und Kommunikationstrainings durchführen.

Ein ausreichendes sprachliches Niveau aller Mitarbeitenden allein garantiert allerdings noch nicht, dass die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Japanern bereits gelingt. Deutsche und Japaner ähneln sich in einigen Verhaltensweisen, die durch die Kultur geprägt werden - beispielsweise ge-nerelle Pünktlichkeit oder das Bedürfnis, vertragliche Vereinbarungen zu erfüllen. Dies bietet bereits Raum für eine sehr erfolgreiche Kooperationen. Allerdings unterscheiden sich beide Kulturen sehr stark in der Art der Kommunikation, die nicht nur – aber insbesondere bei “frischen” Kooperationsumfeldern ein Make-or-Break Kriterium sein kann. Darum muss als übergeordnetes Ziel eine reibungslose Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden sichergestellt werden. 

Nach Edward T. Hall gilt die deutsche Kultur gilt als eine der niedrigsten Kontextkulturen weltweit: Die Sprache und Kommunikation sind direkt, Probleme werden explizit angesprochen und eine offene Diskussionskultur wird von Kindesalter anerzogen. Es herrscht grundlegend die Denkweise, dass man über Kritik nicht nur Ergebnisse, sondern auch sich selbst verbessern kann. Es wird also explizit und klar kommuniziert, und nur wenig muss aus dem Kontext gelesen werden. 

Als Kontrast dazu gilt Japan als eine der ausgeprägtesten Kontextkulturen überhaupt: Umgang und Sprache sind indirekt und Probleme werden nicht offen diskutiert, um das Gesicht von anderen und sich selbst zu wahren. Konflikte und Probleme werden über einen längeren Zeitraum sorgfältig mit Hinblick auf alle involvierten Personen gelöst, um die Harmonie innerhalb einer Gruppe zu gewährleisten. Viel wird im Kontext kommuniziert und Empfänger müssen die gesendeten Informationen selbstständig wahrnehmen und interpretieren. 

Dieser Kontrast formt das Geschäftsleben und auch Entscheidungsfindungen dermaßen stark, dass zwischen Deutschen und Japanern ein Konfliktpotential entstehen kann. Über derartige Unterschiede sollte explizit aufgeklärt werden. Deutsche Interviewpartner haben gerade in der Anfangsphase Probleme gehabt, sich im japanischen Umfeld zurecht zu finden. Viele implizite Regeln der japanischen Kultur stellen Deutsche vor Herausforderungen dahingehend, dass sie oft nicht verstehen, warum auf einmal ein Konflikt entstanden ist. Umgekehrt berichteten viele Japaner zwar, dass die direkte Kommunikation in Deutschland irritierend oder gar als persönliche Angriffe werteten, allerdings konnte diese Art der Kommunikation nach einer Gewöhnungszeit meist eingeordnet werden und wurde gerade hinsichtlich der Effizienz in geschäftlicher Kommunikation positiv gesehen. 

Auf beiden Seiten zeigen sich mit der Zeit Gewöhnungseffekte – allerdings können sich diese über Monate oder gar Jahre hinziehen und sind bezüglich der Akzeptanz nicht kontrollierbar. Daher sollte eine Organisation Möglichkeiten schaffen, Mitarbeitende vorab rechtzeitig ausreichend aufzuklären und im Umgang miteinander zu trainieren, um den Gewöhnungsprozess zu beschleunigen und kontrollierbar zu machen.

Handlungsempfehlung 3: Persönliche Treffen regelmäßig durchführen. Sind solche nicht möglich, zu Koordinationszwecken Videoanrufe und zur technischen Abstimmung auf schriftliche Kommunikation zurückgreifen. Zusätzlich interne Chatprogramme für weniger formale, alltägliche Kom-munikation einrichten.

Da persönliche Treffen, die mit Abstand als beste Kommunikationsbasis angesehen werden, in international Teams häufig nicht regelmäßig möglich sind, sollten Organisationen bewusst digitale Kanäle zur Kommunikation utilisieren, um Vertrauen zwischen den Mitarbeitenden zu fördern und Fehlkommunikation vorzubeugen. Da klassische Telefonate viel vom Kontext einer Interaktion, wie Mimik und Körpersprache, verbergen, ist Videotelefonie vorzuziehen. Die Voraussetzung ist natürlich, dass die Teilnehmer ihre Kameras auch einschalten. 

Für weitere Kommunikation zur Vermittlung technischer Informationen sollte wiederum eine schriftliche Kommunikation vorgezogen werden. Da die Kommunikation zwischen Deutschen und Japanern normalerweise für mindestens eine Person in einer Fremdsprache stattfindet, können technische Details insbesondere durch variierende Sprachkenntnisse missverstanden oder gar vergessen werden. Hinzu kommt, dass ein Sender oder aber ein Empfänger häufig nicht merkt, dass Informationen verfälscht oder abhandengekommen sind. Schriftliche Kommunikation kann dem insofern vorbeugen, als dass die Informationen klar gegliedert und strukturiert werden können. Für die alltägliche, interne Kommunikation wurden positive Aspekte von Chatfunktionen wie beispielsweise von Microsoft Teams unterstrichen, da diese weniger Formalien erfordern, was positive Auswirkungen auf Geschwindigkeit und das generelle Verständnis von Kommunikation hat, da weniger verklausuliert wird.

Handlungsempfehlung 4: In speziellen Fällen Einsatz eines “Nakadachi”; also eines ‚Mittels-manns‘ bzw. ‚Mediators‘.

Eine weitere angewandte Methode zur Vermeidung von Kommunikationsproblemen zwischen einzelnen Teammitgliedern ist der Einsatz von sogenannten “Nakadachi”. Als solche werden Personen bezeichnet, die sich sowohl in der japanischen als auch in der (hier) deutschen Arbeitskultur auskennen und oftmals als impliziter Teil der eigenen Rolle zwischen den beiden Kulturen “vermitteln”, also eine Mediatorrolle einnehmen. An sie wird kommunikatives Konfliktpotential übertragen, indem sie Informationen und Ansichten zur Weitergabe an die Mitglieder der anderen Kultur aufbereiten, filtern und ggf. Kontext bieten. In den meisten deutsch-japanischen Organisationen sind “Nakadachi” zu finden. Dennoch muss auch gesagt werden, dass der Einsatz nicht in jeglicher Situation sinnvoll oder effizient ist und nicht jegliche Kommunikation „einfach“ über eine derartige Rolle geführt werden sollte. Es sollte stattdessen auf Maß und Aufgabenbereich geachtet werden, da kommunikative Bottlenecks entstehen können. Es kann sinnvoller sein, alle betroffenen Mitar-beitenden entsprechend zu schulen, um negative Einflüsse der kulturellen Unterschiede auf die Kommunikation zu vermeiden, und den „Nakadachi“ in diversen Kommunikationen eher hinzuzuziehen als zum Bindeglied in einem Kommunikationskanal aufzustellen; oder wenn doch, ihn dann alternativ für die Kommunikation zwischen wenigen Schlüsselrollen einzusetzen. 

 

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Zusammenhänge in der deutsch-japanischen Arbeitskultur

 

Handlungsempfehlung 5: Abwägung von Kosten und Nutzen bei Entscheidungsfindungsprozessen.

Entscheidungsprozesse in Japan und Deutschland sind unterschiedlich. Anders formuliert, gilt es das typisch japanische „Nemawashi“ (also informelle Abstimmungsaktivitäten vor offiziellen Entscheidungsmomenten) gegen eine „deutsche Zielorientierung“ abzuwägen. Beide „Systeme“ bieten sowohl Vor- als auch Nachteile. 

In den Interviews wurden deutsche Entscheidungsprozesse als „zielorientiert“ beschrieben. In ihnen werden ein oder mehrere Ziele vorab definiert und anschließend strikt auf diese hingearbeitet. Sowohl Deutsche als auch Japaner sehen dieses Vorgehen als zeiteffizienter an als das in Japan verbreitete „Nemawashi“. Allerdings erfordern gerade die Entscheidungsprozesse in Deutschland klare Meinungsaustäusche und Diskussionen. Überstimmte Personen müssen sich meist mit dem Ergebnis abfinden, mit der Gefahr, dass im Nachhinein Prozesse nicht akzeptiert oder aktiv blockiert werden und so die Arbeit und Zielerreichung gestört werden. Zudem nehmen einige Japaner einen solch zielorientierten Ansatz als unflexibel und gar starrsinnig wahr, da auf ein einziges, vorab definiertes Ziel hingearbeitet wird. 

Typischerweise ist das japanische „Nemawashi“ stattdessen prozessorientiert. Die konkrete Koordination findet dabei meist nicht innerhalb von Meetings im Dialog statt, sondern die Stakeholder werden vor der offiziellen Entscheidung eher informell konsultiert und deren Präferenzen in einen Vorschlag bestmöglich berücksichtigt, der alle relevanten Meinungen so weit wie möglich repräsentiert. Die offizielle Entscheidung ist dann meist nur noch Formsache. Dieser Prozess wird sowohl von Deutschen als auch von Japanern als langwierig und häufig politisch wahrgenommen. Wenn allerdings eine Entscheidung getroffen wurde, verläuft die Implementierung und Umsetzung durch die ausgiebige Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte und Meinungen von Stakeholdern verhältnismäßig reibungslos, was im Nachhinein zu weniger Anpassungskosten führt. Zwar sind Deutsche dem „Nemawashi“ tendenziell skeptisch gegenübergestellt. Dennoch werden auch Vorteile in aktiver Konsensfindung und weniger konfliktorientierten Vorgehensweise erkannt. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll zu hinterfragen, ob die Prozesse innerhalb der Organisation eher „deutsch“ oder „japanisch“ geprägt sind, um notwenige Änderungen zur Effizienzsteigerung zu identifizieren und Implementierungen einfacher zu gestalten.

Handlungsempfehlung 6: Definition eines klar definierten Prozessrahmens, innerhalb dessen sich Teams frei bewegen können.

Sowohl Deutsche als auch Japaner bevorzugen im Geschäftsleben standardisierte Prozesse, allerdings herrscht in beiden Kulturen die Tendenz, Prozesse zu „überdefinieren“ sowie zu „überbürokratisieren“, und diese anschließend fast schon stoisch zu befolgen. Infolgedessen gehen einer-seits häufig die Vorteile typischer Vorgehensweisen und Arbeitsansätze einer jeweiligen Arbeits-kultur verloren, und außerdem haben Mitglieder beider Kulturen häufig Schwierigkeiten, mit Son-derfällen umzugehen. Es können Ineffizienzen und Zeitverlust durch fehlende Flexibilität entstehen, die bei einer Zusammenarbeit zwischen zwei Kulturen regelmäßig entstehen dürften. 

Beim Definieren der Prozesslandschaft für die interkulturelle Zusammenarbeit sollte daher eine Balance zwischen Standardisierung und flexiblem Freiraum gefunden werden, die es ermöglicht, auch auf Sonderfälle einzugehen, ohne Mitarbeitende zu überfordern und somit die Vorteile beider Arbeitskulturen zu vereinen. Somit sollte, je nach Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines Teams, ein Rahmen mit harten Grenzen geschaffen werden, in dem sich Personen frei bewegen und ihren Tätigkeiten nachgehen können. Solange Teams und deren Mitglieder innerhalb dieses Rahmens handeln, können sie eigene Stärken ausspielen und so einen möglichst optimalen Arbeitseinsatz entwickeln. 

Handlungsempfehlung 7: Standardisiertes Informationsmanagementsystem etablieren.

In Hinsicht auf Prozessanpassungen zur Verringerung von Konflikten in der Zusammenarbeit von Deutschen und Japanern ist der folgende Punkt vermutlich einer der wichtigsten: Fast alle befragten Personen erwähnten den gezielten Umgang von Informationen in der Organisation als effektives Mittel zur Vermeidung von Problemen. Daher wird stark der Einsatz eines Informationsmanagementsystem empfohlen. Ein solches System kann je nach Organisation vom standardisierten Austausch einfacher Dateien (bspw. Excel oder SQL-Dateien) über Token-Systeme bis hin zu aufwendigen, global verwendeten und komplexen Datenbanken mit zugehörigen Programmen reichen. All diese Ansätze finden in der Praxis erfolgreich Anwendung, und deren positive Auswirkungen wurden in den Interviews bestätigt. Die benötigten Funktionen und die Komplexität des Programms sollten allerdings genau überprüft werden, da aufwendigere und komplexere Systeme zwar mehr Funktionalität, aber auch Bedarf nach mehr Mitarbeitertrainings und bürokratischen Aufwand mit sich bringen und somit höhere Kosten erzeugen. 

Gründe für die Notwendigkeit eines solchen Systems sind vielfältig. Beispielsweise unterstützen sie die Sicherstellung der richtigen und zeitigen Informationsweitergabe und somit den Abbau von Informationsmonopolen einzelner Personen(-gruppen), die häufig über den verschiedenen Län-dern hinweg aufgebaut werden. Die Reduzierung solcher Informationsmonopole beugt zudem Opportunismus einzelner Akteure vor und fördert durch erhöhte Informationstransparenz das Vertrauen der Kollegen zueinander. Zudem steigt durch die erhöhte Transparenz die Akzeptanz von Entscheidungen und Maßnahmen, da die Hintergründe dieser von allen Beteiligten besser nachvollzogen werden können und somit beispielsweise das „Nemawashi“ weniger konfliktträchtig werden lässt. Weiterhin können Missverständnisse in der Kommunikation schneller aufgedeckt werden, wenn widersprüchliche oder falsche Daten erfasst werden.

Ein weiterer Punkt, der an dieser Stelle nur kurz angesprochen werden soll, ist, dass ein solches System zusätzlich mit einem standardisierten Priorisierungsverfahren von Aufgaben verbunden werden kann. Dies ist von Nöten, da sich zeigte, dass Deutsche dazu neigen, die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Aufgaben zu unterschätzen, während Japaner diese tendenziell überschätzen. Über ein solches System kann die Notwendigkeit für bspw. Überstunden bewertet werden.

Abschluss:

Für den Japan- bzw. Deutschlanderfahrenen mögen einige der oben genannten Aspekte offensichtlich oder gar trivial wirken. Allerdings soll noch einmal explizit erwähnt sein, dass diese Hand-lungsempfehlungen auf einigen - den kulturell relevantesten - Aspekten in Bezug auf die Arbeitswelt basieren und, wenn ignoriert, starke Auswirkung auf die Zusammenarbeit haben können. Ein Großteil des Konfliktpotentials entsteht im Rahmen von Kommunikation und wirkt sich auf fast allen Ebenen der Zusammenarbeit aus. Wenn diese Konflikte allerdings abgeschwächt oder gänzlich vermieden werden können, bietet die Kooperation zwischen der deutschen und japanischen Kultur einen fruchtbaren Boden für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

 

Über den Autor:

Vincent Schwaner ist in Deutschland geboren und lebte vor und während seines BWL-Studiums insgesamt ca. 2,5 Jahre in Japan. Er sammelte innerhalb eines japanischen IT-Konzerns sowohl in Japan als auch in Deutschland Arbeitserfahrung und kennt die Zusammenarbeit mit Japanern aus eigener Erfahrung. Der obige Artikel basiert auf seiner Bachelorarbeit an der Universität Münster, im Rahmen dessen er die Zusammenarbeit Deutscher und Japaner in Bezug auf die Arbeitskultur empirisch untersuchte.

 

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